Es stürmt, die tiefhängenden Regenwolken zeichnen ein ungemütliches, ein wüstes Bild von Hamburg Mitte März. Die meisten Menschen eilen abgekämpft und gesenkten Hauptes vom Arbeitsplatz in den Feierabend oder schlimmer in den Zweitjob, darauf bedacht, nicht in jene Rinnsale zu treten, die die Regengüsse der letzten Stunden auf den Gehwegen hinterließen. Nach Hause, ausruhen, nur um sich am nächsten Morgen wieder in die Fabrik oder ins Büro zu schleppen – ein Leben auf Verschleiß, ein Leben bis zur Entkräftung, begründet in der Sorge, dass das Geld am Ende nicht reichen könnte. Die stetig steigenden Miet- und Energiepreise, die Angst vor einem sozialen Abstieg, die unerhörte Steuerlast und schließlich der unvermeidliche Rentenbescheid, der auf ein Leben knapp oberhalb der Grundsicherung verweist, verschärfen den Blick auf die eigene Zukunft.
Zustände, die Menschen zum handeln zwingen, weshalb es einige wenige auf der Suche nach Alternativen zur eingetretenen Politik in das Kulturzentrum „Fabrik“ im Hamburger Stadtteil Ottensen treibt. Hier wird Sahra Wagenknecht (Die Linke) das erste Mal nach ihrem Rücktritt von Bundesfraktionsspitze und vom Vorstand, der von ihr mit initiierten Sammlungsbewegung „aufstehen“ vor Publikum sprechen. Das Ergebnis des Abends wird ernüchternd ausfallen – Wagenknecht wird gewohnt selbstsicher die Diskussion bestimmen, ihren Rücktritt erklären und nicht zuletzt auf die Rolle von „aufstehen“ verweisen, aber entscheidende Fragen unbeantwortet lassen – dabei sagt sie das, was sie eigentlich immer sagt, wenn es um „aufstehen“ geht: Es gehe nicht um Spaltung, sondern darum, „gemeinsam auf die Straße gehen, sich gemeinsam Gedanken machen, gemeinsam Konzepte zu entwickeln“, denn es könne nicht so bleiben, wie es ist. Es sind jene Wortfetzen, die mittlerweile verzerrt klingen, da Wagenknecht sie seit der Gründung von „aufstehen“ im Sommer 2018 stetig, beinahe beschwörend, wieder und wieder runterbettet.
Was einst als breite Bürger- und linke Sammlungsbewegung am Reizbrett entworfen wurde, kam bei der Basis nie an. Dabei wollte man möglichst viele linke Strömungen an einen Tisch holen, ein Gegen-gewicht zur Erstarkung von konservativ-rechten Kräften im politischen Spektrum etablieren und schließlich gemeinsam das soziale Profil, dass SPD und die Linke seit Jahren vergessen lassen, schärfen. Das Problem: wichtige Vernetzungsarbeit wurde vernachlässigt, der Aufbau von Strukturen und die Repräsentation lag in den Händen von wenigen, die aus einer intellektuellen Filterblase heraus argumentierten und vollkommen verkannten, dass Protestbewegungen nicht von oben diktiert sondern aus den Herzen derer entspringen müssen, die die Verschärfung der Lage bewusst wahr nehmen, die erkennen, wenn der Staat seine Monopolstellung verliert und seine Kernkompetenzen – innere und soziale Sicher-heit – abstreift. Ein Bewusstsein, dass sich auch an dem verregneten Vortragsabend in Hamburg zeigt. Nach den Monologen von Wagenknecht und Fabio De Masi (Die Linke) kommt das Publikum erst in den letzten 20 Minuten zu Wort – etwas spät für eine Basisbewegung, wie ein Mann einwirft.
Dass Wagenknecht nun ihren Rücktritt erklärt ist insofern nicht überraschend, als dass das Projekt „aufstehen“ und die Etablierung einer linken Sammlungsbewegung als gescheitert zu betrachten ist. Weder die parlamentarische Linke, noch die SPD, geschweige denn linke Gruppierungen, die sich im vorpolitischen Raum bewegen haben sich Wagenknecht angeschlossen oder ihr zumindest ein Grundmaß an Vertrauen ausgesprochen, viel mehr nahm man sie als Konkurrenz und Spaltkeil wahr. Galt sie doch als eine, die in den letzten Monaten eher als Querulantin in den einigen Reihen betrachtet wurde, weil sie sich entschieden gegen den Kurs der grenzenlosen Solidarität von Katja Kipping (Die Linke) aussprach und betonte, dass der Sozialstaat nur überleben kann, wenn man von einer geregelter Migration ausgeht. Ein Thema, dass sie im Hamburger Kulturzentrum „Fabrik“ bewusst ausklammerte.
Festzuhalten ist, der Versuch eine Partei- und Institutionsübergreifende linke Sammlungsbewegung zu etablieren ist gescheitert. Mit dem Rücktritt Wagenknechts verliert die deutsche Linke eine ihrer bekanntesten und beliebtesten Vertreter. Bedingt durch den Flügelkampf innerhalb der Linken und der jetzigen Ausrichtung unter dem Banner der grenzenlosen Solidarität wird das soziale Profil der Partei noch weiter an Kontur verlieren und schließlich dem eigenen Anspruch entrückt stehen. Zudem kann man davon ausgehen, dass die Positionierungen innerhalb des linken Spektrums zu verschieden sind, als dass nochmals der Versuch unternommen wird sie zu einen.
Eine Möglichkeit für die Alternative für Deutschland – die sich in den kommenden Wochen mit der sozialen Frage, mit sozialer Gerechtigkeit und einen neuen Rentenkonzept auseinandersetzen wird. Denn im Gegensatz zu „aufstehen“ entstammen wir tatsächlich jener Proteststimmung und jenem Gefühl des Aufbegehrens gegen die Obrigkeit, die den Blick für das Wesentliche verloren hat. Die Besetzung von sozialpolitischen Themenbereichen und das voranbringen eines sozialpolitischen Diskurses begründet sich deshalb aus der Entstehungsgeschichte unserer Partei. Wir waren keine Politiker, wir waren Handwerker, Beamte, Polizisten, Ärzte, Lehrer, Soldaten und schließlich waren wir Demonstranten, die in Anbetracht der sich verschärfenden Situation im Land zum Handeln gezwungen wurden. Wir sind die neue Partei der sozialen Gerechtigkeit, erhoben aus der Mitte der Gesellschaft.
Quellen:
https://www.freitag.de/
https://www.freitag.de/
https://www.freitag.de/
https://www.jungewelt.de/
https://sezession.de/