„Seehofer bewertet EU-Gipfelergebnisse als nicht wirkungsreich genug“, „Merkel schließt Vertrauensfrage nicht aus“, „Dobrindt weiterhin für nationale Maßnahmen an der Grenze“
Die Schlagzeilen der letzten Stunden verdeutlichen das desaströse Verhältnis in der Union. Auf dem Krisentreffen der CSU in München bot Horst Seehofer seinen Rücktritt als Innenminister und Parteivorsitzender an – dieser ist offiziell aber noch nicht vollzogen und würde vom überwiegenden Teil der Parteibasis nicht akzeptiert. Am heutigen Nachmittag wollen die Parteispitzen der CDU um Angela Merkel und der CSU um Seehofer erneut in Berlin zusammenkommen, um über die Zukunft der Union, der Regierung und der Bundeskanzlerin zu beraten. Am Ende könnten verschiedene Szenarien im Raum stehen:
Käme es heute zu einer Einigung im Gespräch zwischen Merkel und Seehofer, wäre die Fraktionsgemeinschaft der Union und damit auch die Große Koalition vorerst gesichert. Falls das scheitert und Seehofer die Zurückweisungen an der Grenze anordnet, müsste Merkel wie angekündigt ihren Innenminister entlassen. Das würde höchstwahrscheinlich den Bruch der Fraktionsgemeinschaft bedeuten.
Merkel könnte im Bundestag auch die Vertrauensfrage stellen, um auszuloten, wie groß der Rückhalt für sie ist. Würde sie hierbei durch die wegfallenden CSU-Stimmen nicht die notwendige Mehrheit erreichen, wären der Rücktritt der Kanzlerin und Neuwahlen beinahe unumgänglich. Eine andere Variante wäre der Versuch gemeinsam mit der SPD eine Minderheitenregierung aufzustellen oder eben ein neues Regierungsbündnis mit SPD und den Grünen zu bilden. So oder so, die Glaubwürdigkeit in die deutsche Regierung wäre erschüttert und würde die Notwendigkeit einer politischen Alternative nochmals verdeutlichen.
Dem Unionsstreit vorausgegangen war ein EU-Gipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am vergangenen Donnerstag, auf dem Merkel auf eine gemeinsame Erklärung hinsichtlich der Zusammenarbeit in der Migrationspolitik drängte. Die CSU-Führung blieb weiterhin skeptisch, bestärkt durch die offiziellen Verlautbarungen Ungarns, Tschechiens und Polens, die bestritten, dass es Absprachen hinsichtlich z.B. beschleunigter Rückführungen gäbe.
Seehofer nannte Merkels Vorschläge zur Eindämmung der Migrationskrise daraufhin „nicht wirkungsgleich“ mit nationalen Maßnahmen – so sei seine – von der AfD übernommene – Forderung, Migranten an der deutschen Grenze zurückzuweisen, nicht von dem Gipfelpapier gedeckt. Die Unterredung mit Merkel sei laut dem CSU-Chef somit wirkungslos geblieben. Noch im Sommerinterview vom Sonntagmittag beharrte Sie auf Ihrer europäischen Doktrin – eine vollständige Missachtung der realpolitischen Entwicklungen.
Entscheidend für die nächsten Stunden wird vor allem sein, dass die Grenzen geschlossen werden und geltendes Recht wieder Anwendung findet. Getrieben werden die Altparteien dabei von einer stetig den Druck erhöhenden AfD, die offenlegt, dass die Regierung die spontane Reaktion zum Machterhalt Vorrang gibt vor Vernunft und politischer Planungssicherheit. Merkels Verhandlungsbemühungen sind unzureichend und lediglich auf die Unionsstreitereien zurückzuführen. Seehofer erkennt das mögliche Desaster bei den anstehenden Landtagswahlen in Bayern, bei denen die AfD als zweitstärkste Kraft einziehen könnte – festzuhalten ist: die einzige politische Kraft, bei der Wort und Tat übereinstimmen, ist die Alternative für Deutschland!