In der Silvesternacht ist ein Polizist bei einem Einsatz im von vielen Medien euphemistisch als „linksalternativ“ bezeichneten Leipziger Stadtteil Connewitz schwer verletzt worden. Während eines Festnahmeversuchs wurden ihm der Helm heruntergerissen und schwere Kopfverletzungen zugefügt, so dass er im Krankenhaus operiert werden musste. Mittlerweile hat das Amtsgericht Leipzig Haftbefehl gegen vier Männer im Alter zwischen 27 und 32 Jahren erlassen. Die Tatvorwürfe lauten u.a. „versuchte und vollendete Körperverletzung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. [1]
Der sächsische Innenminister Roland Wöller (CDU) sieht in den Vorkommnissen der Leipziger Silvesternacht eine neue Stufe linksextremistischer Gewalt erreicht und konstatierte, „dass diese Gewaltausbrüche nicht nur Sachen betreffen, sondern dass sie gezielt Menschenleben gefährden”. [2] Für Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigen die Ereignisse in Leipzig-Connewitz, dass menschenverachtende Gewalt auch von Linksextremisten ausgehe. [3]
Diese Erkenntnisse sind für die Herren Innenminister selbstverständlich nicht neu. Die vom Bundesinnenministerium herausgegebenen Fallzahlen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität zeichnen ein eindeutiges Bild. Für das Jahr 2018 werden in der Rubrik „Politisch motivierte Gewalttaten (insbesondere Körperverletzungen und Tötungsdelikte)“ dem Phänomenbereich -links- 1.340 Fälle zugeordnet. Zum Vergleich: Im Phänomenbereich -rechts- waren es im gleichen Zeitraum lediglich 1.156 Fälle. [4]
Nun soll diese Gegenüberstellung keinesfalls als Versuch einer Relativierung verstanden werden. Ideologisch begründete Gewalt ist grundsätzlich abzulehnen und auf das schärfste zu verurteilen. Dennoch erscheinen diese Zahlen maßgeblich für eine Objektivierung in der Einordnung der Darstellung von politischem Extremismus durch weite Teile der Medienlandschaft und Protagonisten der Altparteien. Ein Bundesinnenminister, der sich öffentlich zu einem speziellen Vorfall äußert, wertet diesen prinzipiell auf und befeuert hierdurch das öffentliche Interesse. Wenn er aber gleichzeitig suggeriert, dass erst die Ausschreitungen jener Silvesternacht zeigten, dass Linksextremisten für menschenverachtende Gewalt verantwortlich sind, kann dies durchaus als Versuch verstanden werden, ein Zerrbild der Realität darzustellen. Als Bundesinnenminister weiß er um die kontinuierliche Gefahr und die erhebliche Gewaltbereitschaft der extremen Linken bestens Bescheid. Und selbstverständlich weiß auch ein sächsischer Innenminister ganz genau, dass sich linksradikale Gewaltausbrüche in der Bundesrepublik seit langem – und nicht erst seit der Connewitzer-Silvesternacht – nicht nur gegen Sachen richten, sondern explizit gegen Menschleben.
Diese Versuche der Relativierung linker Gewalt unter Zuhilfenahme rhetorischer Tricks sind zwar leicht durchschaubar, aufgrund der Beharrlichkeit und Quantität der Anwendung jedoch leider durchaus dazu geeignet, in der Öffentlichkeit ein Zerrbild zu zementieren. Als direkte Folgen dieser perspektivischen Darstellungen können sowohl die exorbitanten Mittel im sogenannten „Kampf gegen rechts“, als auch die gesellschaftliche Akzeptanz für staatliche Alimentierungen linker Gruppierungen wie beispielsweise „Miteinander e.V.“ oder der „Rote Hilfe e. V.“ verstanden werden.
Dieses zweierlei Maß lässt sich exemplarisch an den ebenfalls hohe Wellen schlagenden Vorkommnissen von Chemnitz vorletzten Jahres aufzeigen: Hier fiel es weiten Teilen der Medienlandschaft und der etablierten Politik sichtlich schwer anzuerkennen, dass es nach dem durch einen Syrer begangenen Mord an einem 35-jährigen Deutschen zu keinen angeblichen ‚Hetzjagden‘ von Deutschen auf Ausländer gekommen ist. Ganz im Gegenteil wurde der damalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in Zusammenhang mit seinen abweichenden Verlautbarungen durch Horst Seehofer in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Interessanterweise explizit genau zu jenem Zeitpunkt, als ein Redemanuskript Maaßens bekanntgeworden ist, in welchem er von „linksradikalen Kräften in der SPD“ gesprochen hatte. [5]
Beim Fall der linksextremistischen Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz verhält es sich genau umgekehrt: Hier wird versucht zu relativieren, was das Zeug hält. Die SPD-Vorsitzende, Saskia Esken, suchte die Schuld nicht etwa vordergründig beim gewalttätigen linken Mob, sondern forderte eine Überprüfung der Einsatztaktik der Polizei. [6] Und auch Politiker der Linkspartei entblöden sich nicht, der Polizei vorzuwerfen, mit „ihrem Durchgreifen nach Stein- und Flaschenwürfen provoziert zu haben“. [7]
Die diesen Einschätzungen immanenten Bewertungen zeigen die Hybris, mit welcher Taten vom polit-medialen Mainstream – je nach Täter-Opfer-Konstellation – ideologisch so verzerrt werden, dass sie ins Narrativ der linken Deutungshoheit passen: In Leipzig-Connewitz war die eigentliche Nebensächlichkeit, ob die Kopfverletzung des Polizisten nun durch eine Operation oder eine Not-Operation behandelt wurde, den Medien ein intensives Nachbohren und eine umfassende Berichterstattung wert, welche letztlich dazu führte, dass seitens der Polizeiführung eingeräumt wurde, dass es sich „lediglich“ um eine Operation handelte – wenngleich der Eingriff „dringlich erforderlich gewesen“ [8] sei.
Dieses Detail vermag die hässliche Fratze der kontinuierlichen Verzerrung in der Darstellung politisch motivierter Gewalt in Deutschland hervorragend zu entlarven: Undenkbar, dass die Unterscheidung zwischen ‚Operation mit hoher Dringlichkeit‘ und ‚Not-Operation‘ bei anderen Täter-Opfer-Konstellationen von einem derartigen Interesse gewesen wäre.
Quellen:
[1] https://www.welt.de/vermischtes/article204727838/Krawalle-in-Leipzig-Verletzter-Polizist-wurde-nicht-notoperiert.html
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/attacke-auf-polizisten-in-leipzig-sachsens-innenminister-sieht-angriff-auf-rechtsstaat-100.html
[3] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-01/leipzig-connewitz-angriff-polizei-linksextremismus-horst-seehofer
[4] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2019/pmk-2018.pdf?__blob=publicationFile&v=2, S.4
[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article198978923/Chemnitz-Messerangreifer-zu-neuneinhalb-Jahren-Haft-verurteilt.html
[6] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/connewitz-spd-chefin-saskia-esken-stellt-polizeitaktik-in-leipzig-an-silvester-infrage-a-1303436.html
[7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article204727830/Connewitz-SPD-Chefin-Esken-stellt-Polizeitaktik-in-Leipzig-infrage.html
[8] https://www.merkur.de/politik/silvester-leipzig-connewitz-angriff-polizisten-gewalt-esken-krankenhaus-cdu-zr-13412192.html